Schlagwort: Deutsches Reich

Vor 150 Jahren: Mit FakeNews in den Krieg

Die Emser Depesche vom 13. Juli 1870

In Bad Ems steht am Lahnufer ein Gedenkstein. (zum Vergrößern der Bilder bitte anklicken)

Der Text der Tafel lautet: Die Emser Depesche Dieser Gedenkstein bezeichnet Ort und Zeitpunkt der Unterredung zwischen König Wilhelm I von Preußen und dem französischen Botschafter Graf Benedetti, in deren Verlauf Wilhelm I die französische Forderung, für alle Zeiten für das Haus Hohenzollern auf die spanische Thronkandidatur zu verzichten, ablehnte. Die telegrafische Unterrichtung des Kanzlers von Bismarck in Berlin und dessen Veröffentlichung in einer gekürzten und verschärften Fassung führte im Verlauf der politischen Krise um die spanische Thronkandidatur zum Ausbruch des deutsch-französischen Krieges 1870/71.

Worum ging es? – Es gab im 19. Jahrhundert eine Menge unsinniger und blutiger Kriege zwischen den verschiedenen Fürsten-, Königs- und Kaiserhäusern – besser gesagt: Die Herrschenden schickten Soldaten in den Krieg gegeneinander, sie selbst saßen bequem in ihren Schlössern. Die Frage war meist: Wie kann ich für meinen Herrschaftsbereich einen größere Macht sichern? (Wobei Macht auch damals schon durchaus Wirtschaftsinteressen einschloss.) Fragen nach „Ehre“ spielten eine große Rolle. Wer sich ein literarisches Bild von der Zeit machen möchte, lese „Die Waffen nieder!“ von Bertha von Suttner ( im Buchhandel oder z.B. hier als pdf zum kostenlosen Download. Ein kurzer Auszug ist hier – keine „leichte Kost“).

Es gelang den Herrschern oft, große Teile der Bevölkerung für ihre Interessen zu instrumentalisieren, indem eine nationalistische Stimmung erzeugt wurde. Die „Ehre“ des Regenten wurde dann zur Existenzfrage für ein ganzes Land.

So war es auch im Sommer 1870. Diesmal ging es um die Frage eines neuen Herrschers für Spanien. Natürlich kam niemand auf die Idee, die Menschen dort zu fragen. Die verschiedenen Herrscherhäuser Europas erhoben Anspruch auf den spanischen Thron, so auch die Hohenzollern, zu denen König Wilhelm von Preußen gehörte. Der französische Gesandte war beim preußischen König (der zur Kur in Bad Ems weilte) zu einem Gespräch über diese Frage und bat um einen Verzicht der Hohenzollern auf den Königsthron in Spanien. Wilhelm lehnt einen solchen Verzicht ab. Das war’s. Der Konflikt war nicht beigelegt, aber auch nicht verschärft.

Jetzt kommt ein gewisser Herr Bismarck ins Spiel: Die Nachricht über das Gespräch ging als „Emser Depesche“ nach Berlin an den Kanzler Bismarck. Der sollte die Öffentlichkeit (u. a. die Presse) informieren. Bismarck veröffentlichte aber nicht den Wortlaut der Nachricht aus Bad Ems, sondern er kürzte und verschärfte den Text so, dass die Meldung einen Affront für die französischen Herrscher darstellte. Er produzierte Fake News mit dem Ergebnis, dass in Preußen gejubelt wurde („Denen haben wir es gezeigt!“) und in Frankreich Empörung herrschte. Die Provokation ging auf: Drei Tage später erklärte der französische Kaiser Napoleon III den Krieg.

Der Krieg kostete über 180.000 Soldaten das Leben, am Ende wurden die französischen Truppen besiegt und 1871 wurde – um die Schmach komplett zu machen – im Schloss von Versailles Wilhelm I zum deutschen Kaiser proklamiert. Das „Deutsche Reich“ wurde gegründet. Frankreich (natürlich nicht das Königshaus, sondern die Bürger) musste Reparationen nach Deutschland zahlen, mit dem Geld wurden hier viele Unternehmen gegründet – daher kommt der Begriff „Gründerzeit“. (Diese Hochkonjuktur-Blase zerplatze bald darauf – auf der Suche nach Sündenböcken verstärkte sich dann der Antisemitismus.)

Ein kluger und guter Diplomat hätte damals einen Krieg verhindern können, ein gerissener und gewissenloser Diplomat hat statt dessen einen Krieg provoziert. Es ist eine Schande, dass Bismarck noch immer verehrt wird, dass Straßen und Aussichtstürme (wie der in Wiehl) noch immer nach ihm benannt sind.

Weitere Informationen z.B. bei wikipedia https://de.wikipedia.org/wiki/Emser_Depesche