Gedenken auf dem Friedhof in Engelskirchen

Engelskirchen war ein wichtiger Verkehrs-Knotenpunkt (u.a. war dort der Anschluss der Kleinbahn ins Leppetal zu den dortigen Stahlwerken) und wurde in den letzten Kriegswochen massiv bombardiert. Hunderte Tote wurden in Massengräbern beigesetzt, dabei wurden nicht alle Leichen identifiziert.

So kommt es, dass zwar zwanzig ZwangsarbeiterInnen, die in Engelskirchen ums Leben gekommen sind, in den Listen geführt werden, aber nur für vier von ihnen ein Gedenkort mit ihrem Namen vorhanden ist. Hinzu kommen über fünfzig „Unbekannte“.

Domenico Buonore ist der einzige Kriegsgefangene bzw. Zwangsarbeiter, für den ein Grabstein aufgestellt wurde. Über ihn ist wenig bekannt. Er war im Jahr 1919 in Italien geboren und ist laut Sterbeurkunde am 11. April 1945 im Alter von 26 Jahren in der Phase der letzten Kriegshandlungen im Oberbergischen von den Bordwaffen eines Tieffliegers tödlich getroffen worden. (Italienische Soldaten wurden nach der Kapitulation der italienischen Streitkräfte von der NS-Wehrmacht interniert und leisteten vielfach Zwangsarbeit.)

In einem Bericht des Amtes Engelskirchen heißt es: „In den letzten Kriegswochen haben mehrere Transporte von nichtdeutschen Staatsangehörigen das hiesige Gemeindegebiet berührt. Es handelte sich hierbei um Transporte von russischen Kriegsgefangenen, sowie russischen und italienischen Zivilarbeitern. Die Transporte kamen aus dem Raum von Köln und wurden durch Volkssturm und Wehrmachmtsangehörige über die Reichsstrasse 55 nach dem Oberbergischen Kreis weitergeleitet. Die Teilnehmerzahl der einzelnen Transporte ist unbekannt. Ein Rücktransport von itailienischen Staatsangehörigen wurde am 11.4.45 auf der Reichsstrasse 55 bei der Ortschaft Grünscheid, Gemeinde Engelskirchen durch Tieffliegerbeschuß angegriffen. Hierbei wurde der Italiener Buonore Domenico getötet und von seinen Kameraden an Ort und Stelle beerdigt.“

Transporte aus dem Raum Köln in Richtung Osten hatten den Zweck, Gefangene des NS-Staates fortzubringen, damit die anrückenden Truppen der Allierten keine Zeugen für Verbrechen vorfinden. Es bleibt unklar, welchen Zweck der „Rücktransport“ hatte und wohin er gehen sollte.

Laut einer weiteren Erklärung des Amtes Engelskirchen ist der Leichnam von Domenico Buonore im April 1948 auf den Friedhof Engelskirchen umgebettet worden.

Eine kleine Gedenkkapelle auf dem Friedhof markiert ein Massengrab, in dem die Opfer der Bombardierungen begraben sind. In einem Gedenkbuch sind die Namen aufgelistet, darunter auch drei Zwangsarbeiter:

Stanislaus Antuhowski war laut Sterbeurkunde Fleischer. Geboren war er am 15. April 1907 in „Mielen, Kreis Gnesen“ in Polen, gestorben ist er im Alter von 38 Jahren am Morgen des 12. April 1945. Das Wort „gefallen“ in der Sterbeurkunde lässt darauf schließen, dass er in die letzten Kriegshandlungen geraten sein muss. Er hinterließ seine Frau Sophie. Weitere Informationen über ihn (z.B. wo er arbeiten musste) waren nicht zu finden.

Andreas Cichosz war am 16. November 1915 in Barik/Starey in Polen geboren. In seiner Sterbeurkunde ist als Beruf Bauarbeiter angegeben. Am 19. Februar 1945 ist er im Alter von 29 Jahren bei der Bombardierung Loopes verschüttet worden und erstickt. In der Grabanzeige wird vermutet, dass er in einem der Gräber ohne Namen (vielleicht eines der Kreuze an der Kapelle) beerdigt worden ist.

Ignatz Jasiecki war am August 1901 in „Gulten, Kreis Schroda“ in Polen geboren, laut Sterbeurkunde war er Maurer. Er ist wie Stanislaus Antuhowski am Morgen des 12. April 1945 gestorben. Das Wort „gefallen“ in der Sterbeurkunde lässt darauf schließen, dass beide gemeinsam in die letzten Kriegshandlungen geraten sein müssen. Er war verheiratet, aber der Name seine Frau war nicht bekannt. Auf der im März 1946 ausgestellten Sterbeurkunde kann man erkennen, dass es noch keine neuen Stempel gab – es wurde einfach das Hakenkreuz aus den Stempeln aus der NS-Zeit herausgeschnitten.

Weitere Opfer der Zwangsarbeit

Die Kreisverwaltungen haben in der Zeit nach der Befreiung Listen aufgestellt, um das Schicksal der Menschen aufzuklären, die als ZwangsarbeiterInnen oder Kriegsgefangene im Kreis zu Tode gekommen waren. In diesen Listen sind getrennt nach Staatsangehörigkeiten auch für Engelskirchen weitere Personen aufgeführt, für die es auf dem Friedhof weder einen Grabstein noch einen Eintrag im Gedenkbuch gibt:

Italiener, Auszug aus https://collections-server.arolsen-archives.org/G/wartime/02010201/0176/151036063/001.jpg
Russen, Auszug aus https://collections-server.arolsen-archives.org/G/wartime/02010201/0176/151035958/001.jpg
Polen, Auszug aus https://collections-server.arolsen-archives.org/G/wartime/02010201/0176/151036194/001.jpg

Giovanni Di Centa war laut Sterbeurkunde geboren am 21. September 1893. In einer Bescheinigung der Kirchengemeinde wird sein Geburtsjahr mit 1923 angegeben, zusätzlich ist der Name seines Vaters und der seiner Ehefrau genannt. Das lässt die Angabe plausibler als die Jahreszahl in der Sterbeurkunde erscheinen. Die Sterbeurkunde enthält weitere Angaben: Er wird Bauarbeiter bezeichnet, als Wohnort ist Wesseling angegeben. Gestorben ist er am 2. Dezember 1944 in „Engelskirchen, O.T. Lazarett“. „O.T.“ steht für „Organisation Todt“. Die Organisation Todt erledigte Baumaßnahmen im NS-Staat, im Jahr 1944 wurden vor allem ZwangsarbeiterInnen bei den Maßnahmen eingesetzt. Sie hatte in Engelskirchen ihren Sitz im Haus Reckenstein und unterhielt offensichtlich dort auch ein Lazarett. Der „Wohnort“ Wesseling könnte bedeuten, dass Giovanni Di Centa dort interniert war und in Engelskirchen zur Arbeit eingesetzt wurde. Als Todesursache ist in einer Liste des Kreises „Allgemeine Herzschwäche“ angegeben. Diese „Diagnose“ findet sich häufig in den Unterlagen, wenn die Opfer unterernährt und ausgezehrt waren. Wie Andreas Cichosz ist er wahrscheinlich in einem der Gräber an der Kapelle bestattet, wie die Gemeinde in einer Bescheinigung angibt.

Romenico Pozzobon war am 7. März 1923 geboren in den Unterlagen wird seine Staatsangehörigkeit mit „vermutlich Italiener“ angegeben. Laut Sterbeurkunde war er „O.T.Arbeiter, wohnhaft in Düsseldorf“, also wohl aus einem Lager in Düsseldorf zu Baumaßnahmen in Engelskirchen eingesetzt und dann hier im Lazarett behandelt. Gestorben ist er am 21. September 1944 im Alter von 21 Jahren im „O.T.Lazarett“, das sich wahrscheinlich am Engelskirchener Sitz der Organisation Todt im Haus Reckenstein befand. Zur Todesursache gibt es in der Liste des Kreises keine Angaben. Laut Grabanzeige ist er wohl in einem der Gräber an der Kapelle beerdigt.

Juglielino Scaletta war offensichtlich ein weiterer Zwangsarbeiter bei der Organisation Todt. Geboren war er am 25. Januar 1908, als Geburtsort wird „vermutlich Italien“ genannt. Laut Sterbeurkunde war er Bauarbeiter, der „Wohnort“ Siegburg könnte bedeuten, dass er dort interniert war und in Engelskirchen zur Arbeit eingesetzt wurde. Am 3. Dezember 1944 ist er im Alter von 36 Jahren in Engelskirchen im „O.T. Lazarett“ gestorben. Als Todesursache gibt der Kreis „Toxische Diphtherie, Lähmungen“ an. Auch er wurde laut Grabanzeige wohl in einem der Gräber an der Kapelle beerdigt.

Guiseppe Appolio: Über ihn ist sehr wenig bekannt. Laut Sterbeurkunde war er „Kraftfahrer“, er ist am 19. März 1945 bei der Bombardierung Engelskirchens ums Leben gekommen. Laut Grabanzeige ist er im Massengrab beerdigt. Wahrscheinlich hat ein gemeinsam mit ihm Internierter für seine Beerdigung gesorgt, wie aus der Liste des Kreises hervorgeht.

Alexander Cararomeo ist wie Guiseppe Appolio bei der Bombardierung am 19. März 1945 ums Leben gekommen. Laut Sterbeurkunde war er 54 Jahre alt, beerdigt ist er laut Grabanzeige im „deutschen Massengrab“. Ob auch er zu den Arbeitskräften der Organisation Todt gehörte, bleibt unklar.

Alexander Kiritschenko ist irrtümlich in der Liste der italienischen Opfer aufgeführt. Sein Name taucht auf der Liste der Kirchengemeinde auf, dort sind die ersten Buchstaben seines Namens durch die Lochung verschwunden. Er war russischer Staatsangehöriger. Auch er starb bei der Bombardierung Engelskirchens am 19. März. In der Sterbeurkunde finden sich außer der Altersangabe (38 Jahre) keine weitern Informationen.

Stephan Kondroschenko wird auf den Engelskirchener Listen geführt, war aber im Raum Lindlar bzw. Hohkeppel. Laut Sterbeurkunde war er am 1.Februar 1925 in „Trilissy/Russland“ geboren. Er wird als Landarbeiter bezeichnet, als Wohnort wird Unterbergscheid angegeben, er wird also dort auf einem Bauernhof gearbeitet haben. Gestorben ist er im Alter von 20 Jahren am 27. Februar 1945 in „Köttingen, Krankenhaus“, in einer Liste mit in Massengräbern bestatteten Russen wird sein Todestag mit 2. März 1945 angegeben. Erstaunlich ist, dass von einem Krankenhaus in Köttingen die Rede ist. Möglicherweise wurde die damals dort bestehende Jugendherberge in der letzten Phase des Krieges als Krankenhaus genutzt.

Natalja Zuralska ist irrtümlich in der Liste geführt, sie war Zwangsarbeiterin in Osberghausen und ist auf dem katholischen Friedhof in Ründeroth bestattet.

Petresinje Wereikano (auch Wereikeno) war am 20. April 1917 und wird in einer Liste der Kirchengemeinde als „Russe“ aufgeführt. Gestorben ist er laut diese Liste am 28. März 1945 bei einem Luftangriff auf Engelskirchen. Sein Name ist in der Liste des Kreises gestrichen, weil er identisch mit einer anderen Person sein soll, leider ist der Eintrag nicht vollständig lesbar, so dass keine weiteren Erkentnisse möglich sind.

Lydia Kottumana war laut Sterbeurkunde am 5. August 1925 in der Ukraine geboren. Geburtsdatum und Herkunft sprechen eindeutig dafür, dass sie als Zwangsarbeiterin in Deutschland war. Sie ist am 28. März 1945 bei einem Luftangriff auf den Eisenbahnknotenpunkt Engelskirchen gestorben. Dies wird auch in der Liste der Kirchengemeinde bestätigt.

Stanislaus Antuhowski ist irrtümlich auch in der Liste mit russischen Opfern aufgeführt, er ist weiter oben schon erwähnt.

Sekula Januswitz (auch Sckila Janusczewik) war ein Jugendlicher aus Jugoslawien. Er war am 2. November 1928 in Belgrad geboren, gestorben ist er am 20. April 1945 im Alter von 16 Jahren. In der Sterbeurkunde wird er als „O.T.-Arbeitsmann“, also Zwangsarbeiter bei Baumaßnahmen, bezeichnet. Nach einer Aufstellung der Kirchengemeinde war er ein Opfer der Bombardierung des Eisenbahnknotenpunkts Engelskirchen am 28. März 1945, er ist aber wohl noch im Krankenhaus („O.T. Lazarett“) behandelt worden und später dort gestorben.

Lena Christschuwak (auch Chritschiyak) war 30 Jahre alt, als sie beim Luftangriff auf Engelskirchen am 28. März 1945 zu Tode kam. In der Sterbeurkunde wird nur das Geburtsjahr und die Staatsangehörigkeit angegeben, in der Liste der Kirchengemeinde ist als Herkunftsort „Schedschinska“ genannt. Nach einer Aufstellung der Gemeinde Engelskirchen ist zusammen mit anderen Opfern am 1.4.1945 im Massengrab beigesetzt worden.

Nadja Turlin war laut Sterbeurkunde russische Staatsangehörige, geboren im Jahr 1925 und am 19. März 1945 im Alter von nicht einmal 20 Jahren bei einem Luftangriff ums Leben gekommen. Nach einer Aufstellung der Gemeinde Engelskirchen ist sie am 22. März 1945 im Massengrab beigesetzt worden. Eine Liste der AOK Lindlar führt eine Nadja Turlin, geboren am 4. September 1926 in Dnjepropetrowsk, ab dem 9. August 1944 als Arbeiterin bei „Jos. Meinerzhagen“ in Engelskirchen. Wahrscheinlich handelt es sich um die selbe Person.

Wera Borsch war laut Sterbeurkunde 1919 geboren und russische Staatsbürgerin. Die Liste der Kirchengemeinde weist als Herkunftsort „ Nowa Ipasomska“ aus. Sie ist am 28. März 1945 beim Luftangriff gestorben und der Aufstellung der Gemeinde Engelskirchen am 1.4.1945 im Massengrab beigesetzt worden.

Eine Wera Borsch mit Geburtsdatum 29. Dezember 1922 war vom 16.9. bis 25.9.43 im Johannesstift Hückeswagen und hat am 16.9.1943 eine Tochter Wally geboren. Ob es sich um die selbe Person handelt, wissen wir nicht.

21 Unbekannte – bei ihnen handelt es sich um einen Teil der Opfer aus Hommerich – siehe unten.

Halja Petruschenko war laut Sterbeurkunde russische Staatsbürgerin und im Jahr 1925 geboren. Sie ist am 19. März 1945 im Alter von 20 Jahren bei der Bombardierung Engelskirchen ums Leben gekommen und am 22.3.1945 im Massengrab beerdigt worden.

Katharina Machmiak wird in der Sterbeurkunde als russische Staatsbürgerin bezeichnet, geboren am 19. Januar 1879. In der Aufstellung der Gemeinde Engelskirchen über in Massengräbern Bestattete wird das Geburtsjahr 1874 genannt, als Geburtsort wird „Jaroslau“ angegeben. Eine Stadt dieses Namens gibt es sowohl in der ehemaligen Sowjetunion als auch in Polen. Laut Sterbeurkunde ist Frau Machniak am 4. Juli 1944 gestorben, sie soll am 7. Juli 1944 im Massengrab beigesetzt worden sein. Das Massengrab auf dem Friedhof in Engelskirchen wurde aber erst im Frühjahr 1945 eingerichtet. Hier bleibt die Sachlage also unklar.

Anton Dobrinski war Pole, wahrscheinlich als Kriegsgefangener bei der Organisation Todt zu Bauarbeiten eingesetzt. Geboren war er laut Sterbeurkunde am 14. Februar 1881 in „Kringeln, Warthegau“, gestorben ist er am 29. Dezember 1944 in „Engelskirchen, O.T. Lazarett“. In der Liste des Kreises wird als Todesursache „Nierenentzündung“ angegeben. Laut Grabanzeige ist er in einem der Gräber an der Kapelle bestattet.

Franz Jocies und Karl Zdziarstek sind auch in der Liste polnischer Staatsangehöriger, die im Laufe des Zweiten Weltkriegs in Engelskirchen gestorben sind, aufgeführt. Sie waren allerdings keine Zwangsarbeiter, sondern schon länger im Raum Engelskirchen ansässig.

Das Verbrechen von Hommerich

Auf dem Friedhof Engelskirchen befindet sich zwischen zwei Koniferen ein kyrillisch beschrifteter Gedenkstein:

Der Text auf dem Gedenkstein lautet in deutscher Übersetzung:

Hier liegen die Gebeine von dreiundfünzig im Krieg in den Jahren 1941 – 1945 verstorbenen russischen Bürgern

Bei den dort bestatteten Toten handelt es sich zum größten Teil um Kriegsgefangene, die im Lager Hommerich zu Tode kamen. Dort übte von Mitte Dezember 1941 bis Ende Februar 1942 ein besonders brutaler Lagerkommandant eine grausame Herrschaft aus, der in zweieinhalb Monaten über vierzig Kriegsgefangene zum Opfer fielen. Ihre Leichen wurden zum Teil auf einer Lichtung in der Nähe verscharrt, zum Teil in Hohkeppel beerdigt. In der Nachkriegszeit wurden sie nach Engelskirchen umgebettet. Die Namen der Opfer aus Hommerich und der weiteren Toten im Massengrab sind nicht bekannt.

Der Täter von Hommerich wurde 1950 verurteilt, mehr zu den Geschehnissen im Lager und zum Gerichtsurteil auf der Seite „Das Verbrechen von Hommerich“